In einem kleinen Ort im Landkreis Aschaffenburg brodelt es nicht nur im Wurstkessel, sondern auch in den Köpfen. Die Metzgerei Freund aus Sailauf ist nicht einfach nur eine Metzgerei.
Sie ist ein Ideenlabor, ein Ort kulinarischer Grenzüberschreitungen und seit 2018 offiziell Weltrekordhalter mit der größten Bratwurstvielfalt aus eigener Herstellung.
Und wer glaubt, dass nach 100 Sorten Schluss ist, kennt die Freunds schlecht. Heute umfasst das Sortiment über 150 verschiedene Bratwurstvariationen – von Wildblüten-Honig über Apfel-Bärlauch bis Gin-Tonic.
150 Sorten und jede Woche kommt eine dazu
Der Rekord wurde am 8. Dezember 2018 aufgestellt: 100 hausgemachte Bratwurstsorten, alle in der eigenen Produktion entstanden, wurden an einem Tag angeboten. Seither ist einiges passiert. Jede Woche kommt eine neue Sorte dazu, und das Angebot hat längst die Marke von 150 überschritten.
Was sich nach Spielerei anhört, ist bei der Metzgerei Freund Teil eines klaren Systems. Neue Sorten werden in kleiner Stückzahl produziert und zur Verkostung angeboten. Die Kundinnen und Kunden geben Feedback, manchmal direkt an der Theke, manchmal über Social Media. Nur was schmeckt, bleibt dauerhaft im Sortiment.
So entstehen Kreationen, die überraschen, unterhalten und trotzdem die handwerkliche Qualität wahren. Ein Beispiel ist die Europa-Bratwurst, deren Käseeinlage als ausgestochene Sterne verarbeitet wurde – ein verspieltes, aber handwerklich aufwändiges Detail. Oder die sogenannte „Einhorn-Bratwurst“, mit pinkem Schweinefleisch, Fruchtstückchen und Glitzer, die ursprünglich als Scherz gedacht war und dann doch eingeschlagen hat.
Auch mutigere Experimente gehören dazu. Die Sorte mit Gummibärchen kam bei der Kundschaft nicht besonders gut an. Matthias Freund erinnert sich mit einem Schmunzeln: „Das war eher wie Red Bull. Muss man nicht wieder machen.“ Dafür war die Variante mit Brennnessel überraschend erfolgreich. Die Inspiration? Ein Radiobericht, in dem von der Heilpflanze als „natürliches Potenzmittel“ gesprochen wurde. Der Name „Viagra-Bratwurst“ kam dann von ganz allein – und blieb zumindest im Volksmund erhalten.
Wurst mit Haltung, Herkunft und Handschrift
So viel Kreativität wäre wenig wert ohne Qualität. Bei Freund wird sie konsequent gelebt. Viele Produkte sind laktosefrei und kommen ohne Glutamat, Gluten oder Milcheiweiß aus. Die Umstellung auf eine Zusatzstoff-freie Produktion begann bereits 2005. Wo andere auf industriell vorgewürzte Mischungen setzen, verwendet die Metzgerei Naturgewürze, frische Zutaten und Räucherung mit echtem Eichenholz.
Das schmeckt man – und es wird auch immer wieder ausgezeichnet. Ob bei Fachmessen, Wurstgipfeln oder regionalen Wettbewerben: Die Produkte der Metzgerei Freund werden regelmäßig prämiert. Dabei geht es den Inhaberinnen und Inhabern nicht nur um Trophäen, sondern um Rückmeldung von Fachleuten. Für Matthias Freund ist jede Auszeichnung Bestätigung und Antrieb zugleich.
Fünf Generationen Familienhandwerk
Gegründet wurde das Unternehmen 1873 von Johann Adam und Margarethe Freund. Der erste Standort befand sich in der Steingasse 3 in Sommerkahl, einem kleinen Ort in Unterfranken. Seitdem ist viel passiert. Generation für Generation wurde das Familienunternehmen weiterentwickelt, modernisiert und erweitert.
1998 übernahmen Stephanie und Matthias Freund die Leitung. Damals war das Unternehmen bereits solide aufgestellt. Doch das Ehepaar wollte mehr. Gemeinsam entwickelten sie das Profil des „Kreativmetzgers“, wie sie heute genannt werden. Die Eröffnung der Filiale in Sailauf im Jahr 2004 war ein wichtiger Schritt, ebenso der erste Auftritt beim Bratwurstgipfel in Pegnitz im Jahr 2015.
Dort entdeckte Matthias Freund seine Leidenschaft fürs kreative Wurstmachen. Der Rest ist Geschichte – und ein wachsender Stamm an treuen Kundinnen und Kunden, die regelmäßig aus Würzburg, Frankfurt oder gar aus den Niederlanden anreisen, um sich die neuesten Sorten zu sichern.
Innovation als Gemeinschaftsprojekt
Auch wenn die drei Kinder der Familie Freund andere berufliche Wege eingeschlagen haben, sind sie regelmäßig Teil des kreativen Prozesses. Neue Ideen entstehen beim Abendessen, auf Autofahrten oder im Gespräch mit Kundinnen und Kunden.
Das Team arbeitet eng zusammen und probiert immer wieder Neues aus – manchmal sogar auf Wunsch der Kundschaft. Ein Kunde wünschte sich etwa eine Bratwurst mit Cola-Geschmack. Gesagt, getan – produziert, getestet und am Ende verworfen. Aber genau darin liegt der Reiz.
Die Metzgerei Freund bietet übrigens auch vegane Bratwurst an. Nicht als Pflichtprogramm, sondern als Teil ihrer Philosophie, offen für neue Ideen zu bleiben und sich nicht auf Tradition allein auszuruhen.
Gegen den Strom – und das mit Erfolg
Während viele kleine Fleischereien in Deutschland aufgeben, weil Personal fehlt, gesetzliche Auflagen wachsen oder die Preisspirale nach unten drückt, hat die Metzgerei Freund ihren eigenen Weg gefunden. Ihr Erfolgsrezept: Innovation, gepaart mit echtem Handwerk und gelebter Kundennähe. Die Corona-Zeit hat diesen Trend noch verstärkt. Viele Menschen entdeckten lokale Betriebe neu, setzten auf Qualität statt Masse. Und die Metzgerei Freund war dafür bestens aufgestellt.
Sie ist mehr als ein Fleischereibetrieb. Sie ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Handwerk im besten Sinne funktioniert: kreativ, regional, verantwortungsvoll und mit echter Leidenschaft.
Bild: Metzgerei Freund