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Fleisch aus der Petrischale: Ist Clean Meat Zukunft oder nur Trend?

27. Oktober 2025 - Lesezeit: 4 Minuten

Clean Meat, also Fleisch aus dem Labor, ist längst keine Science-Fiction mehr. Weltweit tüfteln Unternehmen und Forschungsteams daran, Fleisch und Fisch ohne klassische Tierhaltung herzustellen.

Ziel ist es, Fleisch zu erzeugen, das in Geschmack, Textur und Nährwert herkömmlichem Fleisch möglichst nahekommt. Gleichzeitig soll die Produktion nachhaltiger und ressourcenschonender sein. Doch wie realistisch sind diese Versprechen, welche Herausforderungen gibt es noch und welche Chancen eröffnen sich für Metzger und Verbraucher?

Was ist Clean Meat?

Clean Meat, auch als kultiviertes oder In-Vitro-Fleisch bezeichnet, entsteht durch die Züchtung von tierischen Zellkulturen im Labor. Dabei werden Muskelzellen entnommen und unter kontrollierten Bedingungen vermehrt. Anders als pflanzliche Fleischalternativen enthält Clean Meat echte tierische Zellen. Der Begriff „Clean Meat“ kann allerdings irreführend sein. Solange zur Herstellung noch tierische Komponenten wie fetales Kälberserum verwendet werden, ist die Produktion nicht vollkommen tierleidfrei. Dennoch sehen viele Unternehmen und Forscher in dieser Technologie die Chance, die Fleischproduktion grundlegend zu verändern.

Herstellung von Laborfleisch

Die Herstellung von Laborfleisch erfolgt über sogenanntes Tissue Engineering. Aus dem Muskelgewebe eines Tieres werden Stammzellen isoliert, die das Potenzial haben, sich selbst zu erneuern und zu Muskelfasern zu entwickeln. Diese Zellen werden in einem Nährmedium vermehrt, das Zucker, Aminosäuren, Mineralien und Vitamine enthält. Trägergerüste aus Kollagen oder pflanzlichen Alternativen geben den Zellen Struktur, damit sie zu einer größeren Masse zusammenwachsen. Auch Fettzellen werden gezüchtet und mit den Muskelfasern kombiniert, um Geschmack und Textur herkömmlichem Fleisch anzugleichen.

Innovative Ansätze nutzen inzwischen 3D-Drucker, die die Zellen in einer Art Paste präzise zu kleinen Fleischstücken drucken. Diese Stücke wachsen in Inkubatoren zu essbaren Produkten heran. Trotz dieser Fortschritte sind die Produktionsmengen derzeit noch sehr klein. Eine industrielle Massenproduktion ist bisher nicht möglich, und die Herstellung bleibt energieintensiv.

Gesundheitliche Aspekte

Da Laborfleisch bisher kaum konsumiert wurde, liegen noch keine belastbaren Daten über den Gesundheitswert vor. Experten sehen jedoch Potenzial, bestimmte Risiken der konventionellen Fleischproduktion zu reduzieren. Durch kontrollierte Bedingungen lassen sich Antibiotikaeinsatz und die Übertragung von Krankheiten minimieren. Zudem könnten gezielt Nährstoffe oder optimierte Fettzusammensetzungen hinzugefügt werden. Allerdings sind auch im Labor teilweise Antibiotika notwendig, um Zellkulturen vor Infektionen zu schützen. Ob Laborfleisch gesünder ist als herkömmliches Fleisch, lässt sich daher noch nicht eindeutig beantworten.

Tierwohl und ethische Aspekte

Eines der Hauptargumente für Laborfleisch ist der reduzierte Einsatz von Tieren. Für die Zellgewinnung sind jedoch Biopsien nötig, bei denen Tiere möglicherweise Schmerzen erleiden. Besonders umstritten ist die Nutzung von fetalem Kälberserum als Nährmedium, das aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen wird. Hier hat die Forschung jedoch Fortschritte gemacht, und einige Unternehmen nutzen inzwischen pflanzliche oder synthetische Alternativen. Solange tierische Komponenten nötig sind, kann Clean Meat nicht als vollständig tierleidfrei bezeichnet werden.

Umweltbilanz von Clean Meat

Die Umweltvorteile von Laborfleisch sind theoretisch vielversprechend, aber noch nicht eindeutig belegt. Erste Studien deuten darauf hin, dass der Flächenbedarf deutlich geringer ist als bei konventioneller Fleischproduktion, da keine Weideflächen oder Futtermittel angebaut werden müssen. Bei den Treibhausgasemissionen und dem Energieverbrauch schneidet Laborfleisch derzeit jedoch teilweise schlechter ab als Schweine- oder Hühnerfleisch, vor allem wenn die Labore mit herkömmlicher Energie betrieben werden. Unbestritten ist, dass eine überwiegend pflanzliche Ernährung aktuell die umweltfreundlichste Alternative darstellt.

Kosten und Marktverfügbarkeit

Die Kosten für Laborfleisch sind in den letzten Jahren deutlich gesunken. Während der erste Burger aus kultiviertem Rindfleisch 2013 noch 250.000 Euro kostete, liegen die Herstellungskosten heute laut Herstellerangaben bei wenigen Euro pro Stück. In Singapur wird seit Ende 2020 Hühnerfleisch aus dem Labor verkauft, das teilweise mit pflanzlichen Proteinen gestreckt ist. In den USA erhielten 2023 zwei Unternehmen die Zulassung für den Verkauf in Restaurants. In Europa gilt Clean Meat als neuartiges Lebensmittel und muss von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) zugelassen werden. Bis erste Produkte regulär in Supermärkten verfügbar sind, wird es vermutlich noch einige Jahre dauern.

Perspektiven für Metzger und die Fleischbranche

Für Metzgereien bietet Clean Meat Chancen, neue Kunden anzusprechen und innovative Produkte ins Sortiment zu nehmen. Denkbar sind hybride Angebote, bei denen klassisches Fleisch mit Laborfleisch kombiniert wird, oder Premiumprodukte für experimentierfreudige Verbraucher. Gleichzeitig ist Aufklärung entscheidend, um Vorbehalte gegenüber künstlich hergestelltem Fleisch abzubauen. Metzger können hier eine wichtige Rolle spielen, indem sie transparent über Herkunft, Herstellung und Nährwerte informieren.

Fazit

Laborfleisch steht noch am Anfang seiner Entwicklung. Die Technik bietet spannende Perspektiven für Nachhaltigkeit, Tierwohl und Innovation in der Fleischbranche. Gleichzeitig sind ethische Fragen, Umweltbilanz und Produktionskosten noch nicht abschließend geklärt. Für Verbraucher ist vor allem eine transparente Kennzeichnung entscheidend, damit sie nachvollziehen können, was auf ihrem Teller landet. Clean Meat könnte in Zukunft eine Ergänzung zu klassischen Fleischprodukten darstellen, aber es wird noch einige Jahre dauern, bis die Technologie breit verfügbar ist.

Clean Meat regt zum Nachdenken an: Über Fleischkonsum, Tierwohl und die Zukunft der Ernährung. Metzger, Start-ups und Verbraucher stehen gemeinsam vor der Herausforderung, neue Wege verantwortungsvoll zu gestalten und Chancen zu erkennen, ohne die Tradition aus den Augen zu verlieren.


Fotograf: Thirdman

Lizenz: Pexels Lizenz

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