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Fleischverzehr im religiösen Kontext

14. April 2024 - Lesezeit: 5 Minuten

Nicht nur gesundheitliche, moralische oder ökologische Gründe bestimmen, was täglich auf unseren Tellern landet – Auch religiöse Vorschriften beeinflussen unsere Essgewohnheiten.

Entscheidend dabei ist der gemeinschaftliche Aspekt – Wir fühlen uns einer Gruppe zugehörig, wenn wir uns an bestimmte Speisegebote halten. Dies wirkt sich identitätsstiftend auf unseren Lebensalltag aus.

Christentum

Das Christentum macht seinen Anhängern nach gängiger Meinung als einzige Weltreligion keine Vorschriften hinsichtlich des Verzehrs von Fleisch.

Viele Christen essen freitags jedoch Fisch anstelle von Fleisch, um zu fasten und dem Tod Jesu Christi zu gedenken, da dieser an einem Freitag gestorben sein soll. Auch zwischen Aschermittwoch und Ostern wird gefastet, indem man weitestgehend auf Fleisch verzichtet, um an das Fasten Jesu nach seiner Taufe in der Wüste zu erinnern.

Was viele Christen jedoch nicht wissen und dementsprechend auch nicht in ihre Essgewohnheiten integrieren: Nach dem Wortlaut der Bibel soll das Blut vom Fleisch (AT, 1. Buch Mose, Kap. 9) sowie Schweine-, Hasen- und Kamelfleisch (AT, 3. Buch Mose, Kap. 11) nicht gegessen werden.

Moderne Gelehrte vertreten hingegen die Auffassung, dass das alte Testament an Gültigkeit verloren habe: Maßgeblich sei ausschließlich das neue Testament, in welchem verschiedene Stellen darauf hinweisen, dass Jesus die strengen Essensverbote des Alten Testaments aufgehoben habe.

Judentum

Juden essen ausschließlich koscheres, d.h. reines Fleisch in Form von domestizierten wiederkäuenden Säugetieren mit gespaltenem Huf, z.B. Rind, Ziege, Schaf und Geflügel, welches nicht vom Raubvogel stammt. Um koscher zu sein, müssen die Tiere vor ihrem Verzehr artgerecht und gesund gelebt haben und ohne Leid geschlachtet worden sein.

Da Juden nicht das Blut, d.h. die Seele der Tiere verzehren dürfen, muss das Fleisch auf eine bestimmte Art - mittels Schächtung - geschlachtet werden. Anhand dieser Schlachtmethode soll das Tier vollständig ausbluten, bevor es zubereitet wird. Meist wird diese Schlachtmethode ohne Betäubung durchgeführt, da die Betäubung das vollständige Ausbluten zu verhindern scheint.

Milch und Fleisch dürfen nach der jüdischen Tora – dem ersten Teil der hebräischen Bibel - nicht gemeinsam gelagert, zubereitet und gegessen werden. Fleisch von Schweinen, Hasen und Pferden ist trefe, d.h. verboten. Auch verboten ist der Verzehr von Fett und Hüftsehne.

Sämtliche jüdischen Speisevorschriften, die Kaschrut, sind im jüdischen Talmud – dem Hauptwerk der jüdischen mündlichen Lehre - festgeschrieben.

Islam

Muslime essen ausschließlich Fleisch, welches halal, d.h. erlaubt ist. Dazu gehört Fleisch von Rind, Huhn, Schaf, Ziege, Pute, Gans und Ente, welche ausgeblutet sind, sodass auch im Islam die Tiere geschächtet werden. Selbst das Besteck gläubiger Muslime darf nicht mit Blut und verbotenem (haram) Fleisch, z.B. Schwein und Pferd, in Berührung kommen.

Zu finden ist das Schweinefleischverbot der Muslime im Koran (z.B. Sure 2, 173).

Der Ursprung des Verbots zum Verzehr von Schweinefleisch ist auch ökologisch begründet: Der Islam ist entstanden in einer Region, welche die Schweinezucht aufgrund der klimatischen Bedingungen erschwert. Zudem ist Schweinefleisch besonders gefährdet von Trichinen, d.h. Parasiten, befallen zu werden. Darüber hinaus wurde das Schwein auch als Nahrungskonkurrent der Menschen angesehen, da es Getreide anstelle von Gras wie beispielsweise Rinder frisst.

Buddhismus

Buddhisten dürfen keinem Tier Leid zufügen, da jedes fühlende Lebewesen einen Buddha in sich tragen könnte. Dementsprechend verzichten streng gläubige Buddhisten in Gänze auf den Verzehr von Fleisch.

Wenn ein Buddhist hingegen zum Essen eingeladen wird, soll er aufgetischtes Fleisch nicht ablehnen, um den Gastgeber nicht zu kränken.

Generell essen Buddhisten nur in Maßen, um sparsam mit den Ressourcen der Erde umzugehen. Tiere stehen im Buddhismus zudem den Menschen gleich, d.h. der Mensch steht nicht – wie in den meisten anderen Religionen – hierarchisch über dem Tier.

Hinduismus

Hindus essen kein Rindfleisch, da die Kuh aufgrund ihrer Gabe von Milch, Butterschmalz, Joghurt, Dung und Urin als heilig gilt. Die Verehrung der Kühe geht sogar so weit, dass diese sich überall in den Städten Indiens frei auf den Straßen gemeinsam mit den Bewohnern bewegen können. Viele Hindus verzichten generell auf den Verzehr von Fleisch, da sie an die ewige Wiedergeburt des Menschen auch im Tier glauben. Jüngere Generationen stehen dem Fleischverzehr jedoch offener gegenüber.

Der Hintergrund des Verzichts auf Rindfleisch ist jedoch auch ökonomischer Natur: Bis 800 v. Christus betrieben Hindus noch eine rege Rinderzucht. Erst mit stark anwachsender Bevölkerung verringerte sich das Angebot von Rindfleisch und dementsprechend auch der Verzehr.

Die Gesetze hinsichtlich des Verzehres von Rindern variieren je nach Bundesstaat in Indien. Strenge Regularien sehen sowohl für den Besitz als auch für den Verzehr von Rindfleisch bis zu fünf Jahre Gefängnisstrafe vor.

Im Gegenzug lockt Indien mit dem vielfältigsten vegetarischen Speiseangebot weltweit, welches sich regional wiederum stark unterscheidet.

Hintergrund Schächten

Der Begriff Schächten kommt aus dem Hebräischen und bedeutet übersetzt „das Hin- und Herziehen (des Messers)“, indem einem Tier ohne vorherige Betäubung nach rituellen Regularien einer Glaubensgemeinschaft der Hals aufgeschnitten wird.

Von Tierschützern wird das Schächten seit Jahren stark kritisiert, auch gemäß Tierschutzgesetz ist das Schlachten von Tieren ohne Betäubung bereits seit 1933 bundesweit verboten. Auf Zuwiderhandlungen stehen Geldbußen bis 25.000 €, bei Widerholungstaten drohen sogar Gefängnisstrafen. Das Königreich Sachsen erließ bereits 1892 als erster Bundesstaat des damaligen Deutschen Reiches ein Schächtverbot.

Seit 1999 hingegen erlaubt die Novellierung des Tierschutzgesetzes das Schächten auf Grundlage der grundgesetzlich gesicherten Religionsfreiheit im Einzelfall, wenn dessen Erforderlichkeit zur Praktizierung des Glaubens substantiiert und nachvollziehbar begründet wird und das Schächten in einem zugelassenen Schlachtbetrieb unter Aufsicht eines zuständigen Amtstierarztes erfolgt. Hierzu bedarf es jeweils einer behördlichen Einzelfallausnahmegenehmigung.

Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse stellen die Zweckmäßigkeit des rituellen Schächtens erneut infrage: Eine Studie aus Neuseeland wies nach, dass bis zu 40% des Bluts geschächteter Tiere nach der Schächtung im Tier verbleiben. Eine tierärztliche Hochschule in Deutschland hat in entsprechenden Versuchen sogar herausgefunden, dass geschächtete Tiere mehr Blut als herkömmlich geschlachtete Tiere in sich tragen, wahrscheinlich da sich die Muskeln beim Schächten zusammenziehen. Somit ist fraglich, ob Religionsverbände auch in Zukunft dauerhaft an dieser für das Tier qualvollen Schlachtmethode festhalten werden.

Bildtitel: Iftar Party
Fotograf: omarsiddiqui39
Lizenz: Pixabay Inhaltslizenz

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