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Der Metzger der nie schläft: Wie Smart-Stores das Fleischerhandwerk verändern

15. Juli 2025 - Lesezeit: 5 Minuten

Es ist Sonntagabend, der Kühlschrank ist leer und der nächste Supermarkt hat längst geschlossen. Der Appetit auf ein gutes Stück Fleisch ist jedoch groß.

In solchen Momenten wünschen sich viele, sie könnten einfach zum Metzger gehen – jederzeit, auch mitten in der Nacht. Was nach Zukunftsmusik klingt, ist in einigen Regionen bereits Realität: sogenannte 24/7-Metzgereien machen es möglich.

Diese digitalen Selbstbedienungsläden sind rund um die Uhr geöffnet, benötigen kein Verkaufspersonal vor Ort und bieten dennoch hochwertige Produkte direkt vom Metzger. Gerade im ländlichen Raum finden diese Smart-Stores immer mehr Anklang. Sie verbinden regionale Handwerkskunst mit modernen Technologien und schaffen neue Wege der Nahversorgung.

Was ist eine 24/7-Metzgerei?

Eine 24/7-Metzgerei ist ein digitaler Selbstbedienungsladen, der rund um die Uhr zugänglich ist. Der Eintritt erfolgt häufig über eine App, einen QR-Code oder durch eine Bankkarte. Im Inneren finden Kunden ein gekühltes Sortiment aus Fleisch- und Wurstwaren, Grillpaketen oder auch vorbereiteten Gerichten.

Der Begriff „Smart-Store“ beschreibt in diesem Zusammenhang nicht nur die digitale Zugangslösung, sondern auch das technische Innenleben. Kameras sorgen für Sicherheit, Temperaturfühler überwachen die Kühlkette und elektronische Kassensysteme ermöglichen einen schnellen Bezahlvorgang. Manche Systeme erkennen sogar automatisch, welches Produkt aus dem Regal entnommen wurde.

Wichtig ist die Unterscheidung zu klassischen Warenautomaten. Eine 24/7-Metzgerei ist kein Fleischautomat, sondern ein begehbarer Laden mit einer echten Ladengestaltung und oft einem deutlich größeren Sortiment.

Warum der ländliche Raum besonders profitiert

Während in städtischen Gebieten viele Einkaufsoptionen rund um die Uhr verfügbar sind, sieht es auf dem Land oft anders aus. Metzgereien verschwinden, Öffnungszeiten werden reduziert und die Wege zu den nächsten Anbietern verlängern sich.

In kleinen Ortschaften mit schrumpfender Infrastruktur werden Smart-Stores zur echten Alternative. Sie ermöglichen es, auch ohne dauerhaftes Personal ein attraktives Angebot aufrechtzuerhalten. Pendler, Familien mit wenig Zeit und ältere Menschen profitieren gleichermaßen von der neuen Flexibilität.

Gleichzeitig kann der Smart-Store ein Zeichen dafür sein, dass Innovation nicht nur in Großstädten stattfindet. Auf dem Land schafft das digitale Angebot neue Nahversorgungspunkte und zeigt, dass traditionelle Handwerksbetriebe zukunftsfähige Lösungen anbieten können.

Vorteile für Kunden und Betriebe

Aus Sicht der Kunden steht vor allem der praktische Nutzen im Vordergrund. Der Einkauf kann zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgen, ohne Rücksicht auf Öffnungszeiten. Das erspart Stress, Wartezeiten und ermöglicht spontanen Genuss. Wer spät von der Arbeit kommt oder sonntags grillen möchte, findet im 24/7-Metzger eine zuverlässige Lösung.

Auch für Metzgereibetriebe selbst ergeben sich zahlreiche Vorteile. Die Verkaufsfläche wird effektiver genutzt, weil sie rund um die Uhr aktiv ist. Das Personal muss nicht erweitert werden, trotzdem steigt der Umsatz. Darüber hinaus können neue Zielgruppen erschlossen werden, etwa Berufstätige, junge Menschen oder technikaffine Kunden.

Durch die digitalen Systeme entsteht zudem eine detaillierte Datenbasis. Metzger können nachvollziehen, welche Produkte wann besonders beliebt sind, und das Sortiment entsprechend anpassen. Eine smarte Warenrotation unterstützt so nicht nur die Frische, sondern auch die Wirtschaftlichkeit.

Herausforderungen und Risiken

Natürlich bringt das Konzept auch einige Herausforderungen mit sich. Die technischen Systeme sind nicht günstig. Es entstehen Investitionskosten für Zugangskontrollen, Kühlsysteme, Überwachungskameras und Softwarelösungen. Auch laufende Wartung und Updates müssen eingeplant werden.

Ein weiteres Thema ist die Sicherheit. Zwar ist das Geschäft in der Regel videoüberwacht, doch die Betreiber müssen auch an Einbruchschutz und Vandalismus denken. Besonders bei Standorten in wenig belebten Gegenden spielt das eine wichtige Rolle.

Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach dem Kundenkontakt. Ein Smart-Store ersetzt nicht den persönlichen Austausch an der Theke. Der Beratungsaspekt, der für viele Kunden essenziell ist, fällt weg. Hier gilt es, kreative Lösungen zu finden, etwa durch Informationsmaterial im Laden oder eine telefonische Beratung.

Beispiele aus der Praxis

In einigen Regionen Deutschlands sind Smart-Stores bereits erfolgreich im Einsatz. In einem kleinen Ort in Oberbayern betreibt eine Familienmetzgerei einen 24-Stunden-Laden mit digitalem Zutritt per EC-Karte. Kunden erhalten Zugriff auf ein hochwertiges Sortiment, das täglich frisch aufgefüllt wird.

Auch in Hessen hat eine Genossenschaft von Landwirten und Metzgern ein ähnliches Konzept umgesetzt. Dort stehen neben Fleisch und Wurst auch regionale Spezialitäten und Produkte befreundeter Betriebe im Regal. Die Rückmeldungen sind durchweg positiv. Viele Kunden berichten, dass sie seitdem bewusster einkaufen und öfter zu regionaler Ware greifen.

In Baden-Württemberg wiederum setzt ein Metzger auf einen hybriden Ansatz: Tagsüber ist das Ladengeschäft regulär geöffnet, nachts wird der Verkaufsraum automatisch zum Smart-Store umgeschaltet.

Wie fängt man als Metzgerei damit an?

Für Metzgereien, die sich für das Konzept interessieren, gibt es mittlerweile spezialisierte Anbieter für Smart-Store-Technik. Diese bieten Komplettlösungen an, vom Zugangssystem über die Kassensoftware bis hin zur Temperaturüberwachung.

Wer klein anfangen möchte, kann zunächst einen separaten Verkaufsraum im eigenen Betrieb ausstatten. Entscheidend ist die Wahl des Standorts. Der Laden muss leicht erreichbar und sicher zugänglich sein. Auch Parkmöglichkeiten spielen eine Rolle.

Bei der Produktauswahl sollte auf Langlebigkeit und klare Kennzeichnung geachtet werden. SB-fähige Verpackungen mit guter Sichtbarkeit erleichtern die Orientierung. Besonders beliebt sind Grillpakete, Aufschnittboxen und vorgegarte Gerichte. Ein wichtiger Punkt ist die Kommunikation. Kunden müssen wissen, wie der Zugang funktioniert, was sie erwartet und welche Zahlungsmöglichkeiten bestehen. Transparenz schafft Vertrauen und senkt die Hemmschwelle bei der ersten Nutzung.

Manche Regionen fördern solche Projekte sogar über kommunale Programme. Eine enge Zusammenarbeit mit Gemeinde und Bevölkerung erhöht die Akzeptanz zusätzlich.

Digitalisierung als Chance für das Handwerk

Die Digitalisierung verändert viele Bereiche des Lebens, auch das traditionelle Metzgerhandwerk. Das muss jedoch kein Widerspruch sein. Im Gegenteil: Wer es schafft, moderne Technik mit handwerklicher Qualität zu verbinden, bleibt wettbewerbsfähig und zukunftsorientiert.

24/7-Metzgereien sind ein Beispiel dafür, wie Digitalisierung sinnvoll eingesetzt werden kann. Sie ergänzen den klassischen Ladenverkauf, entlasten das Personal und bringen neue Flexibilität in die Betriebsführung. Dabei bleiben die Werte des Handwerks – Qualität, Regionalität und Vertrauen – erhalten.

Tradition im neuen Gewand

Der Metzger von heute muss nicht mehr ausschließlich hinter der Theke stehen. Dank digitaler Smart-Stores ist es möglich, rund um die Uhr für die Kundschaft da zu sein, ohne sich selbst zu überlasten.

Gerade im ländlichen Raum bieten 24/7-Metzgereien eine echte Alternative zur schwindenden Nahversorgung. Sie zeigen, dass Innovation und Handwerk keine Gegensätze sind, sondern sich ideal ergänzen können. Ob sich das Konzept flächendeckend durchsetzt, wird sich zeigen. Sicher ist aber: Der Metzger, der nie schläft, ist kein Zukunftsszenario mehr, sondern längst gelebte Realität.

Fotograf: Tim Mossholder
Lizenz: Pexels Lizenz



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