Eine neue Studie sorgt für Diskussion: Könnten pflanzliche Fleischalternativen das Depressionsrisiko erhöhen?
Fleischalternativen boomen. Doch eine aktuelle Studie wirft Fragen auf, die über Geschmack und Nachhaltigkeit hinausgehen. Könnte das, was vermeintlich gesund und umweltfreundlich ist, auch Risiken für die mentale Gesundheit bergen? Ein Blick auf die Forschung, die Einordnung durch Fachleute und was das für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeuten kann.
Ernährung und Psyche
Dass Ernährung weit mehr ist als Kalorien und Nährwerte, ist längst bekannt. Immer mehr Studien belegen, wie stark das, was wir essen, unsere psychische Gesundheit beeinflussen kann. Schlaf, Bewegung und eben auch die Ernährung zählen zu den Umweltfaktoren, die laut Oberberg-Kliniken mitverantwortlich für die Entstehung von Depressionen sein können.
Die Ursachen für Depressionen sind komplex. Genetische Veranlagung, belastende Lebensereignisse und physiologische Faktoren greifen oft ineinander. Umso interessanter sind Untersuchungen, die sich mit dem Einfluss des Lebensstils beschäftigen – denn hier besteht immerhin die Chance, frühzeitig gegenzusteuern.
Fleischersatz unter der Lupe: 42 Prozent höheres Risiko
Eine Studie der University of Surrey, veröffentlicht im Dezember 2024 im Fachjournal Food Frontiers, hat sich nun vegetarischen Ernährungsweisen genauer gewidmet. Im Fokus stehen sogenannte PBMAs, also „plant-based meat alternatives“ – verarbeitete Fleischersatzprodukte auf pflanzlicher Basis.
Das zentrale Ergebnis: Vegetarierinnen und Vegetarier, die regelmäßig PBMAs konsumierten, hatten ein um 42 Prozent höheres Risiko für Depressionen als jene, die stattdessen auf Vollwertproteine wie Bohnen, Kichererbsen oder Eier setzten. Analysiert wurden dazu Daten der UK Biobank, einschließlich Blutwerten von über 3300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Die Studienautorin Hana Navratilova betont jedoch, dass die Ergebnisse auf einer Momentaufnahme zu Beginn der Studie basieren und sich hauptsächlich auf die weiße Bevölkerung im Vereinigten Königreich beziehen. Veränderungen der Ernährung über die Zeit hinweg wurden nicht erfasst.
Nicht automatisch ungesund, aber mit Effekten
Interessant ist: Die PBMAs waren laut Studie nicht generell ungesünder als andere Lebensmittel. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede beim Konsum von Natrium, freiem Zucker, gesättigten Fettsäuren oder Gesamtzucker. Gleichzeitig wurde der Verzehr von pflanzlichen Fleischalternativen mit einem um 40 Prozent geringeren Risiko für Reizdarmsyndrom in Verbindung gebracht.
Die Lebensmittelforscherin Susanne Klaus erklärte gegenüber dem WDR: „Das, was wir hier in Deutschland auf den Markt bekommen, ist lebensmitteltechnisch unbedenklich.“ Es gelte ein hoher Standard bei der Kontrolle von Zusatzstoffen, der auch für Fleischersatzprodukte angewendet werde. Sie betont, dass diese Produkte nicht mehr „Chemie“ enthalten als herkömmliche Fleischprodukte.
Veränderungen im Blutbild: Entzündung und Cholesterin
Dennoch gab es bei den PBMA-Konsumenten Unterschiede im Blutbild. Sie wiesen einen höheren Blutdruck sowie erhöhte CRP-Werte (C-reaktives Protein) auf. Das ist ein Marker für Entzündungen im Körper. Gleichzeitig war der Wert des Apolipoprotein A, das mit dem „guten“ HDL-Cholesterin assoziiert wird, niedriger.
Diese Veränderungen könnten mögliche Erklärungen für den beobachteten Zusammenhang zwischen PBMAs und Depressionen liefern, sind aber keineswegs ein Beweis für eine direkte Ursache-Wirkungs-Beziehung. Das betont auch Professorin Nophar Geifman, Expertin für Biomedizininformatik an der University of Surrey:
„Die Ergebnisse sind insgesamt beruhigend und deuten darauf hin, dass pflanzliche Fleischalternativen eine sichere Option darstellen können, wenn sie Teil einer ausgewogenen Ernährung sind. Der mögliche Zusammenhang zwischen diesen Lebensmitteln, Entzündungen und Depressionen bedarf weiterer Untersuchungen.“
Auch ihr Kollege Prof. Anthony Whetton mahnt zur Vorsicht bei der Interpretation:
„Hochverarbeitete pflanzliche Fleischalternativen können für Menschen nützlich sein, um auf eine vegetarische Ernährung umzusteigen. Weitere Forschung ist notwendig, um diese Ergebnisse und die Beziehung zwischen vegetarischer Nahrung und der Stimmung zu bestätigen.“
Kein Grund zur Panik, aber ein Anlass zum Nachdenken
Was also fängt man mit solchen Ergebnissen an? Sicher ist: Die Studie liefert wichtige Hinweise, aber noch keine endgültigen Antworten. Sie unterstreicht jedoch, dass Ernährung auch bei psychischer Gesundheit ein entscheidender Faktor ist. Und dass verarbeitete Lebensmittel, auch wenn sie pflanzenbasiert sind, differenziert betrachtet werden müssen.
Besonders in einer Zeit, in der immer mehr Menschen auf Fleisch verzichten wollen – sei es aus ethischen, gesundheitlichen oder ökologischen Gründen – lohnt sich ein genauer Blick auf das, was stattdessen auf dem Teller landet. Vollwertige, möglichst wenig verarbeitete Proteinquellen bleiben eine sichere Wahl, ob tierisch oder pflanzlich.
Und was pflanzliche Burger, Nuggets und Würstchen angeht? Die dürften auch weiterhin ihren Platz auf dem Markt behalten. Allerdings besser als Teil einer insgesamt ausgewogenen Ernährung, nicht als täglicher Hauptbestandteil.
Bildtitel: Lebensmittel Essen Teller Roh
Fotograf: Polina Tankilevitch
Lizenz: Pexels Lizenz
Heute sehen wir uns eine besonders leckere und traditionelle Räucherwurst an: Die Kaminwurz.